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A uf den Feldern blühen jetzt schon überall Sonnenblumen. Diese wunderbare Pflanze, die ihren Blütenkopf stets der Sonne entgegen neigt und innerhalb einer Saison eine gewaltige Höhe von bis zu 2 Metern erreicht, fasziniert mich jedes Jahr aufs Neue. Ich habe sie nicht nur gemalt, ich habe ihr auch eine Geschichte gewidmet und möchte euch heute mit dieser Geschichte eine kleine Leseprobe aus meinem Buch „A Kraxn voller Weisheiten“ geben.

Sonnenblumen

Sonnenblumen

Was bleibt ist die Liebe

Liselotte würde am liebsten in einem Sonnenblumen Feld wohnen

Wenn sie sich in ein Sonnenblumenfeld stellt, richtet sich ihre Wirbelsäule auf, sie bekommt mehr Luft und einen klaren Kopf. Ungeduldig ersehnt sie sich den Juli herbei, da beginnen die Pflanzen endlich kräftig zu werden und zu blühen. Liselotte ist ein stilles Kind, sie betrachtet alles mit Abstand und macht sich viel Gedanken um das Warum und Wieso. Ihre Beobachtungen behält sie für sich.

Die Menschen um sie herum haben die unterschiedlichsten Lebensarten. Ihr Vater zählt jeden Tag sein Geld, das er vor der Familie wegsperrt. Auch mit der Freude ist er sehr sparsam, er denkt Freude macht leichtsinnig und dann kann das Leben teuer werden.

Die Mutter passt sich ihm gezwungenermaßen an, damit es Frieden gibt. Ihr ist es wichtig, den Vater nicht zu verärgern. Manche Dinge macht sie heimlich und versteckt die neue Bluse erst mal im Schrank, um sie dann mit den Worten: »Ach, die habe ich schon länger, die ist nicht neu«, irgendwann hervorzuholen.

Ihr Bruder holt sich seine Abenteuer wie es ihm gefällt, auch wenn er dafür Strafmaßnahmen zu spüren bekommt. Die Wertvorstellungen seiner Eltern kümmern ihn nicht.

Liselotte findet keinen Zugang zu ihrer Familie. Sie wächst still und unauffällig auf. Auf jeden Fall will sie nicht den Zorn des Vaters abkriegen. Eine Sprachstörung, sie stotterte sehr, macht ihr das Leben nicht einfacher.

Der Vater denkt: ›Besser ein stummes Kind als ein lautes, das ständig fordert und die Grenzen überschreitet.‹
Die Mutter denkt: ›Es wird sich schon ein Mann finden, der sich ihrer annimmt. Ihre täglichen Pflichten wird sie schon erfüllen können.‹

Liselotte verbringt ihre Kindheit mit geschlossenem Mund und soll nun eine Lehre beginnen. Der Beruf darf nicht anspruchsvoll sein, denn Liselotte ist nicht so schnell im Denken und braucht manchmal ziemlich lange, bis sie etwas umsetzen kann.

Sie bekommt eine Lehrstelle in einem Lebensmittelladen. Auffallend ist, dass sie das Obst sehr sorgfältig, man kann fast sagen, liebevoll einsortiert. Sie berücksichtigt sogar die farblichen Kontraste. Sie sagt, dass Äpfel und Orangen nicht nebeneinandergelegt werden dürfen, sie vertragen sich nicht. Als ihre Chefin krank wird, wird sie mutig und leiht sich Blumen vom Blumenstand aus, wie zum Beispiel die Kapuzinerkresse, und stellt sie zum Gemüse. Ihre Abteilung beginnt zu leben.

Als jedoch ihre Chefin vom Krankenstand zurückkehrt, werden die Blumen entfernt und alles wird wieder praktisch und zweckmäßig gehandhabt. Liselotte wird wieder stummer und hinter vorgehaltener Hand bezeichnet man sie als das ›Trutscherl von der Obst- und Gemüseabteilung‹.

Am Wochenende geht sie gerne tanzen. Musik gibt ihr Freude und Schwung. Sie findet keine richtige Freundin, mit der sie zusammen was unternehmen könnte. Sie müsste sich  die Lippen rot malen, Fingernägel lackieren und rauchen, dann wäre sie eine von ihnen, und es würde mit einer Freundschaft klappen. Aber Liselotte mochte sich so wie sie war.

In der Arbeit wird sie in eine andere Abteilung, zu den Backwaren, versetzt. Sie ist sehr froh darübervon der Chefin der Obstabteilung weg zu sein, denn die hat ihr immer zu spüren gegeben, wie unfähig sie sei.

Hier duftet es wunderbar nach frischem Brot. Liselotte hat gerne Lebensmittel in der Hand. Die Kunden schätzen es, von Liselotte bedient zu werden, sie haben das Gefühl, als ob das Mädchen Freude mit in die Tüte packen würde.

Auch hier passiert das Gleiche. Die Chefin beginnt an ihr herum zu kritisieren und schickt sie oft in den Vorratsraum, um irgendwelche niedrigen Arbeiten zu erledigen. Bald ist sie auch hier das Trutscherl von der Backabteilung. Liselotte weiß nicht woran es liegt, dass sie immer in die Ecke abgeschoben wird.

Am Wochenende ist sie wieder beim Tanzen. Da trifft sie ihn, den jungen Mann, der auch auf der Suche ist. Beide wollen ein Leben mit Liebe und Freude, aber das wissen sie nicht. Miteinander sind sie im Gleichklang. Die äußere Welt hat keine Bedeutung mehr. Aber sie müssen in die äußere Welt. Ihre Kinder müssen hinaus. Das Leben muss auch außen stattfinden. Bald war es wieder zu spüren, die ganze Familie wurde in die Ecke gestellt und eine Schranke aufgebaut, auf der stand: ›Weltfremd, nicht ernst zu nehmen.‹

Eines Tages sagt Liselotte zu ihrem Schatz, der immer verbitterter wurde, komm, geh mit mir ins Sonnenblumenfeld, vielleicht geht es dir dann wieder besser. Sie stellen sich Hand in Hand in das Blumenfeld als wären sie selbst große, prächtige Sonnenblumen.

Sie spüren, wie ihnen der Boden Kraft und Halt gibt, die Sonne sie stärkt und das Graue, Dunkle um sie herum verdrängte. Ihr Herz wird größer. Es ist, als ob sie über die anderen Sonnenblumen hinauswachsen und mit aller Klarheit in die anderen Menschen hineinschauen können:

Da war die Chefin der Obstabteilung. Sie hat ein dunkles Herz, sie will nur Anerkennung und Geld. Die Chefin der Backabteilung. Sie will die Beliebteste sein und sieht in Liselotte eine Bedrohung. Die Nachbarn, die bemerken, dass bei uns viel Licht und Freude ist. Und das einfach nur so, ohne großen Mercedes, große Urlaubsreisen oder andere Luxusgüter. Das wollen sie alles nicht sehen, das ist nicht ihre Welt.

Liselotte und Ernst nehmen sich fester bei der Hand und ihr Bewusstsein wird noch klarer – sie wachsen über sich hinaus. Sie sehen die Fassaden, das künstlich erzeugte Glück und oft sogar das künstlich erzeugte Leid. Alles nur Fassade, dahinter ist Leere, Nichts, nicht mal ein Gefühl. Da taucht bei beiden die Frage auf: »Gibt es einen Platz wo wir in Liebe existieren können?« Da sagen die Sonnenblumen: »Schaut in die Richtung, in die wir schauen. Wir neigen uns stets der Sonne entgegen. Folgt eurer Freude, sie zeigt euch euren Platz. Aber ihr musstet erst erkennen, dass ihr selbst die Sonne seid.“

Dies ist eine Geschichte aus meinem Buch

A Kraxn voller Weisheiten‹

Wenn ihr mehr lesen möchtet, könnt ihr hier das Buch bestellen.

Weitere Bücher findet ihr hier.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen.

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Magdalena Reupold
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